Teil 1/3:

Bindungsorientierte Erziehung: Über kaum ein anderes Thema werden so eifrig hitzige Kontroversen ausgetragen wie über verschiedene Erziehungsstile. “Das einzig Wahre”, sagen die einen, “Damit verzieht man sein Kind”, die anderen.

Doch was ist bindungsorientierte Erziehung eigentlich genau? Wie unterscheidet sie sich von anderen Erziehungsformen? Und welche Seite hat denn nun recht? Ist bindungsorientierte Erziehung vielleicht sogar für Ihre Familie sinnvoll? Lassen Sie uns dieses Thema einmal näher beleuchten:

Was ist bindungsorientierte Erziehung?

Das Konzept der bindungsorientierten Erziehung – oft auch als bedürfnisorientierte Erziehung bezeichnet – stammt von dem US-amerikanischen Kinderarzt William Sears und seiner Frau Martha. Die Basis dafür geht zurück auf die 1980er Jahre. Im Englischen als Attachement Parenting (kurz AP) bezeichnet kommt auch hierzulande dieser Begriff ab und zu vor. Bindungsorientiert, bedürfnisorientiert und Attachment Parenting sind also als Synonyme zu verstehen.

Im Kern geht es bei diesem Ansatz darum, schon von der Geburt an eine enge Bindung zwischen dem Kind und mindestens einer Bezugsperson – zum Beispiel der Mutter – herzustellen. Das Kind soll sich zu jeder Zeit sicher, geborgen und wertgeschätzt fühlen und sich aus dieser Basis heraus zu einem selbstbewussten Erwachsenen entwickeln.

Die Grundlagen der bindungsorientierten Erziehung

Grundlage der bindungsorientierten Erziehung sind die sogenannten Baby-Bs.

Die sieben Baby-Bs

  1. Birth Bonding: Unmittelbar nach der Geburt nehmen Mutter und Kind innigen Körperkontakt auf. Dies gilt als Basis der künftigen engen Bindung
  2. Breastfeeding: Die Mutter stillt ihr Baby – und zwar nicht nach einem festgelegten Zeitplan, sondern wann immer das Kind das Bedürfnis danach hat.
  3. Babywearing: Eltern tragen ihr Baby so häufig und lange wie möglich am Körper, zum Beispiel in einem Tragetuch.
  4. Bedding close to Baby: Bezugsperson und Kind schlafen im selben Bett, mindestens aber sehr nah beieinander. Dieses Konzept ist auch als Co-Sleeping bekannt und mittlerweile setzen viele Familien auf eigens für diesen Zweck gefertigte besonders große Familienbetten.
  5. Belief in Baby’s Cry: Die Eltern gehen davon aus, dass Weinen ein Zeichen von nicht erfüllten Bedürfnissen ist. Sie betrachten es als Signal ihres Kindes und reagieren darauf. Das Baby wird nicht schreien gelassen.
  6. Balance and Boundaries: Nicht nur die Bedürfnisse des Kindes werden geachtet, sondern auch die der Eltern. Nur wenn es allen Beteiligten gut geht, kann das Familiengefüge funktionieren. Die Eltern setzen deshalb klare Grenzen und nehmen sich regelmäßig Zeit, sich um sich selbst zu kümmern.
    Beware auf Baby Trainers: Sears rät dazu, auf Schlaftrainings und andere Programme, in denen Babys in eine bestimmte Richtung gedrängt werden sollen, zu verzichten.

Die Baby-Bs und bindungsorientierte Erziehung

Bei Babys geht es zunächst darum, alle Bedürfnisse zu erkennen und ohne Verzug zu stillen. Später liegt der Fokus darauf, ihnen zuzuhören, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Alle gemeinsam suchen nach einer Möglichkeit, die manchmal widerstreitenden Wünsche in einer Familie möglichst gut zu vereinen. Kinder sind genauso viel wert wie Erwachsene und man begegnet ihnen auf Augenhöhe anstatt von oben herab. Natürlich stehen dabei immer der entsprechende Entwicklungsstandes und die Fähigkeiten des Kindes im Vordergrund.

Die Auslebung der Ansätze der bindungsorientierten Erziehung im Alltag, variiert von Familie zu Familie. Jedes Eltern-Kinder-Gespann findet eine eigene Interpretation, mit der es gut zurechtkommt.

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