Philip ist schon wieder wütend. Und das so richtig!

Der Wutanfall ist wirklich heftig.  Seine Mutter Sarah kommt es so vor, dass er wie immer urplötzlich auftaucht und natürlich auch wie immer zur völlig falschen Zeit. Eigentlich steht sie ständig unter Anspannung. Manchmal wartet sie regelrecht darauf, wann ,,es“ wieder losgeht. Und lebt natürlich in Angst davor. Ganz schlimm ist es, wenn sie unterwegs sind.

Sarah möchte dann nur noch eins: dass ,,es“ aufhört! Dafür würde sie eine Menge geben. Sie fragt sich häufig, ob Philip nicht einfach mal etwas akzeptieren  kann oder ob er jedesmal, wenn ihm was nicht passt, direkt so ,,austicken“ muss. Der Alltag ist echt furchtbar anstrengend!

Was passiert im Wutanfall?

Selbstregulation von Gefühlen wie Wut, Ärger, Freude werden im Kindesalter erst gelernt. Es ist nicht immer selbstverständlich, dass das bis ins Erwachsenenalter auch schon abgeschlossen ist. Wenn ein Kind wütend wird,  kochen die Gefühle hoch. Das Kind wir von seiner Wut regelrecht überfallen. Was wir sehen, ist das störende oder angstmachende Verhalten. Das Kind schreit, sagt freche Sachen, knallt Türen oder wirft Dinge durch die Gegend, tritt vor Möbel. Manchmal tun Kinder anderen weh. Das schockiert, macht Angst, lässt Hilflosigkeit und Ratlosigkeit auf der Elternseite entstehen.

Steckt ein Kind im Gefühl der Wut hat es keinen Zugriff auf sein Denken. Es ist ganz Gefühl. Das Denken ist mit dem Fühlen nicht in Verbindung. Und das Gefühl wird überwältigend. In manchen Phasen der kindlichen Entwicklung ist das Kind noch nicht in der Lage sich einen Plan B zurechtzulegen für den Fall, dass etwas nicht so gelingt oder eintritt, wie es sich das vorgestellt hat. Das ist meist in der Autonomiephase, die früher Trotzphase genannt wurde, der Fall. Aber auch, wenn die Kinder im Schulalter oder Teenageralter sind gibt es das. Die Verbindung zum Denken ist wie abgeschaltet, wenn die Gefühle im Vordergrund stehen.

Interessanterweise ist die Wut, die viele Eltern als das Problem ansehen, ein hilfreiches Zeichen, dass etwas nicht stimmt im Familiengfüge. Unter dem oben beschriebenen Verhalten liegt die Wut, und unter der Wut liegen ein oder mehrere Bedürfnisse, die nicht erfüllt sind. Diese emotionalen Grundbedürfnisse wie Liebe, Anerkennung, Sicherheit und Zugehörigkeit oder auch Verstandenwerden können die Kinder sich noch nicht selbst erfüllen. Dafür brauchen sie ihre Eltern. Das Verhalten, das obenauf liegt ist die zugegebener Weise nicht besonders hilfreiche Strategie, mit der die Kinder auf ihr unerfülltes Bedürfnis aufmerksam machen wollen. Sie können halt nicht einfach sagen, dass es ihnen nicht gut geht und dass ihnen etwas fehlt. Kinder tun also nichts gegen die Eltern, sondern sie tun etwas für sich. Deswegen wäre es sinnvoll, sich durch das Verhalten des Kindes nicht persönlich angegriffen zu fühlen. Ich weiß, das ist ungewohnt und dadurch nicht so leicht.

Selbst, wenn man vielleicht davon ausgehen kann, dass ein Schulkind oder ein Teenager seine Gefühle schon besser selbst regulieren kann, gibt es noch weitere Faktoren, die die Fähigkeit, sich selbst regulieren zu können, stören. Doch davon ein anderes Mal.

Co-Regulation –  die helfende Hand

Wenn Kinder ihre Eltern brauchen, um sich selbst regulieren zu lernen, wie kann das denn dann aussehen? Kleinen Kindern helfen Eltern durch das Benennen der Gefühle, um Worte für ihren Zustand kennenzulernen: Dass der Keks zerbrochen ist, macht dich gerade richtig wütend. Das kann ich verstehen. Es braucht keine Ablenkung oder kein ,,kleinreden“ der Erfahrung des Kindes.

So hilft Co-Regulation:

  • das Verhalten nicht bewerten
  • das Kind in seiner Erfahrung und mit seinem Gefühl nicht alleine zu lassen, und ihm Hilfe zur Bewältigung einer Stresssituation zu geben,
  • einfach da zu sein und mögliche Lösungen aussen vor zu lassen.
  • feinfühliger Umgang mit der emotionalen Not des Kindes,
  • mit-auszuhalten, dass es sich für das Kind gerade ganz furchtbar anfühlt,
  • Körperkontakt anbieten und liebevolles und freundliches Eingehen auf das Kind.

Das Ziel der Co-Regulation durch die Eltern ist, dass das Kind vielfältige Erfahrungen mit Stresssituationen machen kann, mit Impulsen und mit seinen Bedürfnissen. Wutanfälle stoppen oder nicht zulassen zu wollen, weil unbedingte Harmonie der Familien-Leitwert sein soll oder man selbst die Menge der Gefühle nicht aushalten will, behindern den Lernprozess.

Kinder brauchen in dem Fall Eltern, die ihre eigenen Gefühle gut regulieren können. Es wäre wäre hilfreich, dann der ruhende Pol zu sein. Elterliches Gefühlschaos, schimpfen und strafen verstärkt die Gefühle des Kindes nur noch. Im schlimmsten Fall fühlt sich das Kind nicht gesehen und ernstgenommen oder abgewertet.

Es lernt dann:

  • ich bin so nicht richtig mit meinem Gefühl,
  • mein Gefühl stimmt nicht,
  • ich muss mein Gefühl ignorieren,
  • ein Gefühl hat keinen Platz und ist nicht wichtig.

Deswegen müssen Gefühle einen Platz im Familienalltag haben. Auch die Wut. Sie alle haben wichige Funktionen in der Entwicklung von Kindern. Wenn sie sein dürfen, wird die unersetzliche Sicherheit, so geliebt zu werden, wie man ist, gestärkt. Das ist eine gute Investition in das Selbstwertgefühl.

Dass viele Eltern den Stress, den so ein Wutanfall bei ihnen verursacht, gar nicht erst haben möchten, kann ich aus eigener Erfahrung gut verstehen. Mir hilft der Gedanke, dass es viel wichtiger ist, einem Kind im Wutanfall zu helfen, statt sich damit zu beschäftigen, ob das Kind eigentlich schon fähig sein sollte, sich selbst zu regulieren. Die Situation findet im Hier und Jetzt statt und offensichtlich besitzt das wütende Kind –  es kann sich auch um ein Schulkind oder einen Teenager handeln – jetzt gerade nicht die Fähigkeit zur Selbstregulation. Kinder haben immer einen Grund für ihr Verhalten und auch für ihre Wut und es gibt die Möglichkeit herauszufinden, was einen Wutanfall ausgelöst hat.

In meinem Beitrag ,,Warum ich es liebe, Eltern darin zu unterstützen ihre Kinder besser zu verstehen“ erzähle ich über meine Bekannte, die ihr Pferd trotz Widerstand schneller in den Pferdeanhänger bringen konnte, als andere Pferdebesitzer. Vielleicht dient Ihnen das zur Inspiration für den Umgang mit Wut und anderen schwierigen Situationen.

Wenn Sie wissen möchten, wie Sie mit Ihrem Kind in einem Wutanfall reden können, vereinbaren Sie mit mir einen Termin.

Gerne dürfen Sie mich für ein kostenloses Erstgespräch kontaktieren.


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